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Bernd Fertig, Vizepräsident South American Rescue Association Peru

Bernd Fertig hat sich als Fachmann im Rettungsdienst (Leiter von Rettungsdiensten und Geschäftsführer) einen guten Namen geschaffen. Er ist Redakteur und Fachjournalist der Fachzeitschriften RETTUNGSDIENST, Rettungsdienst-Journal, Notfall- und Rettungsmedizin sowie RettungsMagazin. Als Buchautor („Strategien gegen den plötzlichen Herztod" und „Menschliche Begleitung und Krisenintervention"; beide S&K-Verlag), sowie engagierter Vortragsredner bei deutschen und internationalen Kongressen prägt er nachhaltig die Entwicklung des Rettungsdienstes. Es gilt als unbestritten, dass die Berufsbildung im Rettungsdienst, die Entwicklung der Frühdefibrillation und der Krisenintervention in Deutschland eng mit seinem Namen und seinem Engagement verbunden sind.

Nicht zuletzt gilt Bernd Fertig in Fachkreisen als einer der Entwickler des ACLS-Mega-Code-Trainings, das er zusammen mit dem amerikanischen Arzt Dr. William Kaye erstmals 1987 an der Universität Düsseldorf einem breiten Fachpublikum vorstellte. Er entwickelte darüber hinaus auch ein System für die effektive Therapie des Lungenödems und akuter Asthma-Notfälle, sowie für die Therapie des Schocks und schwerster Verletzungen bei Polytraumatisierten Notfallpatienten. Neben seiner Ausbildung als deutscher Rettungsassistent, in der Schweiz anerkannter Diplom-Rettungssanitäter und EMS-Flight-Paramedic, kann Bernd Fertig auf das breit angelegte Wissen als Betriebswirt für Personal- und Ausbildungswesen, Diplom-Sozialverwaltungswirt, Rettungsdienstmanager und European Quality Auditor der DQS zurückgreifen.


Analgesie

Bekannte, neue sowie alternative Möglichkeiten

 

Prof. M.Sc. Bernd Fertig

 

Vorwort

Schmerzen sind ein vielschichtiges Leiden, das das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen und eine komplexe Herausforderung darstellen kann. Viele Menschen greifen daher auf starke Schmerzmittel zurück, angefangen bei frei verkäuflichen Analgetika bis hin zu verschreibungspflichtigen Opioiden.

Da die Suche nach einem geeigneten Präparat oft schwierig ist, geben wir dir in diesem Artikel einen Überblick über die Top 10 der stärksten Schmerzmittel 2023 und 2024. Du erfährst, wie diese Mittel wirken, welche Nebenwirkungen auftreten können und wie sie angewendet werden. Außerdem beleuchten wir die Wirksamkeit von medizinischem Cannabis als alternatives starkes Schmerzmittel oder als Ergänzungstherapie bei der Behandlung mit Opioiden.

 

Die wichtigsten Punkte

 

Schmerzmittel werden in zwei Kategorien unterteilt: Opioid-haltige und nicht Opioid-haltige Präparate. Zu den stärksten Schmerzmitteln zählen die Opioid-haltigen Medikamente Sufentanil, Remifentanil, Fentanyl, Buprenorphin, Alfentanil, Hydromorphon, Levomethadon, Oxycodon und Morphin – aufgelistet in absteigender Reihenfolge ihrer Potenz. Fentanyl ist bis zu 1.000 x stärker als Morphin. Daher wird es eigentlich nur im Rahmen einer Narkose eingesetzt. Alle anderen Applikationsformen sind „off-label-use!“(1)

Diese Schmerzmittel sind synthetische Opiumderivate und werden bei starken bis sehr starken Schmerzen verschrieben. Zu den häufigen Nebenwirkungen zählen trockene Schleimhäute, übermäßiges Schwitzen, Juckreiz, eine Verengung der Pupillen und Atemnot.

Medizinischer Cannabis bietet eine wirksame und sichere Alternative zur Behandlung chronischer Schmerzen. Es interagiert mit dem Endo-Cannabinoid-System des Körpers, kann Entzündungen hemmen und die Nebenwirkungen anderer Schmerzmittel, wie Opioide, reduzieren.

(1) Off-Label-Use (englisch) bezeichnet die Verordnung eines Fertigarzneimittels außerhalb des durch die Arzneimittelbehörden zugelassenen Gebrauchs. Die Verwendung kann im Anwendungsgebiet oder der Anwendungsart von der Arzneimittelzulassung abweichen. Im Deutschen spricht man dabei von zulassungsüberschreitender Anwendung.

 

Durch die Einnahme von Cannabis kann der Bedarf an opioid-haltigen Schmerzmitteln oftmals verringert werden. Welche Schmerzmittel gibt es?

Schmerzmittel (Analgetika) werden in zwei Hauptkategorien unterteilt: opioidhaltige und nicht opioidhaltige Präparate. Nicht opioidhaltige Schmerzmittel sind frei verkäuflich, während opioidhaltige Präparate nur mit einem Rezept erhältlich sind.

 

Opioide – Diese Medikamente müssen von einem Arzt oder einer Ärztin verschrieben werden. Sie sind wesentlich stärker als rezeptfreie Schmerzmittel und werden typischerweise bei akuten und sehr starken Schmerzen, wie nach einem chirurgischen Eingriff, eingesetzt.

Zu den verschreibungspflichtigen, opioidhaltigen Schmerzmitteln gehören beispielsweise Morphin und Fentanyl. Diese Opioid-Analgetika werden entweder aus dem Saft des Schlafmohns (Papaver somniferum) oder synthetischen Derivaten hergestellt. Durch ihre Wirkung an den Opioidrezeptoren des Körpers erzeugen sie sowohl erwünschte als auch unerwünschte Effekte. Wegen ihrer suchterzeugenden Eigenschaften sind Opioide bei chronischen Schmerzen oft die letzte Behandlungsoption.

Frei verkäufliche Analgetika – Nicht opioide Schmerzmittel werden in zwei Kategorien unterteilt: solche, die sowohl schmerzlindernd als auch fiebersenkend sind, und solche, die diese Wirkungen nicht besitzen.  

Die schmerzlindernden und fiebersenkenden nicht opioiden Schmerzmittel wirken durch die Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase (COX), das für die Bildung von Prostaglandinen verantwortlich ist. Prostaglandine spielen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Schmerzen und Fieber sowie bei der Schmerzwahrnehmung.

 

Nicht opioide Schmerzmittel, die weder fiebersenkend noch entzündungshemmend wirken, enthalten Wirkstoffe wie Ketamin, Capsaicin oder Ziconotid (ω-Conotoxin). Diese Mittel werden in speziellen Bereichen eingesetzt.

 

Bei chronischen Schmerzen gibt es noch eine dritte Gruppe von Analgetika: die pflanzlichen Wirkstoffe aus Cannabis.

 

Was sind die 10 stärksten Schmerzmittel?

 

Zu den zehn stärksten Schmerzmitteln gehören verschiedene Opioid-Derivate sowie medizinischer Cannabis. Hier sind sie nach ihrer analgetischen Potenz absteigend geordnet. Die analgetische Potenz misst die schmerzlindernde Wirkung im Vergleich zu Morphin, welches als Referenzwert den Faktor 1 hat.

 

1 Sufentanil

 

Analgetische Potenz: 700 – 1000

 

Sufentanil zählt zu den stärksten Schmerzmitteln in der Humanmedizin. Es wird oft in Tablettenform zur Linderung von Tumorschmerzen oder intravenös bei chirurgischen Eingriffen eingesetzt.

 

Wirkung und Nebenwirkungen

 

Sufentanil bindet an die µ-Opioidrezeptoren im Gehirn und Rückenmark und wirkt 500 bis 1.000-mal stärker als Morphin. Es kann zu Nebenwirkungen wie Bradykardie, Miosis, Atemdepression, Übelkeit, Erbrechen und Krämpfen kommen. Die Herz-Kreislauf-Funktion, Blutgerinnung und das Immunsystem werden jedoch kaum beeinträchtigt.

 

2 Remifentanil 

 

Analgetische Potenz: 200

 

Remifentanil wird ausschließlich im klinischen Bereich verwendet, oft während chirurgischer Eingriffe oder bei künstlich beatmeten Patienten: innen, meist zusammen mit Propofol und anderen Hypnotika.

 

Wirkung und Nebenwirkungen

 

Remifentanil wirkt sehr schnell und bindet vollständig an die µ-Opioidrezeptoren, unterdrückt rasch und kurzzeitig die Schmerzwahrnehmung und ist etwa 200-mal stärker als Morphin. Nebenwirkungen sind Atemstillstand, Muskelsteifigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Kreislaufstörungen.

 

3 Fentanyl

 

Analgetische Potenz: 100

 

Fentanyl wird am häufigsten als Pflaster verschrieben, eignet sich aber auch in Tablettenform zur oralen Einnahme. Es wirkt über die Haut oder die Mundschleimhaut. Die Darreichungsform macht die Einnahme des Wirkstoffs auch für Patient: innen möglich, die nicht schlucken können oder deren Magen-Darm-Trakt in seiner Funktionsfähigkeit gestört ist. Dennoch gibt es den Wirkstoff auch in Tablettenform zur oralen Einnahme. Die schmerzstillende Wirkung tritt schneller (meist bereits nach wenigen Minuten) ein, hält jedoch nur für kurze Zeit an. 

 

Wirkung und Nebenwirkungen

 

Fentanyl kann schnell süchtig machen, insbesondere bei der Anwendung von Tabletten. Es besteht auch das Risiko einer Überdosierung durch Fentanyl-Pflaster. Nebenwirkungen sind unter anderem übermäßiges Schwitzen, Juckreiz, Mundtrockenheit und Verengung der Pupillen. Werden gleichzeitig Benzodiazepine eingenommen, Schlafmittel, Antidepressiva, Antipsychotika sowie bestimmte Antiallergika, kann es zu unerwünschten Wirkungen wie Schwindel, Benommenheit und Atemproblemen kommen. Bei schweren Verläufen kann eine stationäre Behandlung erforderlich sein. 

 

4 Medizinisches Cannabis

 

9,6 mg – 13,6 mg THC äquivalent zu einer Analgetischen Potenz von 65

 

Cannabis wird als Schmerzmittel bei chronischem Schmerzen sowie deren Begleiterscheinungen, wie Übelkeit und Erbrechen, Muskelkrämpfen, Schlafproblemen und Angstzuständen, eingesetzt. Die Dosierung wird individuell angepasst und sollte unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.

 

Medizinischer Cannabis kann in Verbindung mit anderen Medikamenten eingesetzt werden. Mitunter kann Cannabis die Nebenwirkungen anderer Schmerzmittel abfedern und deren Wirksamkeit verbessern. Patient:innen können dann die Dosis der Opiode reduzieren. Cannabis stellt damit eine wirksame und gleichzeitig sicherere Schmerzbehandlungsoption dar – allen voran bei der Behandlung von chronischen Schmerzen über einen längeren Zeitraum.

 

Wirkung und Nebenwirkungen

 

Medizinisches Cannabis entfaltet seine Wirkung über das körpereigene Endocannabinoid-System. Die aktiven Substanzen, Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), interagieren dabei sowohl direkt als auch indirekt mit den CB1- und CB2-Rezeptoren des Systems.

 

Diese Rezeptoren, die sich im gesamten Körpernetzwerk befinden, insbesondere im Gehirn, zentralen und peripheren Nervensystem, Immunsystem und Magen-Darm-Trakt, spielen eine entscheidende Rolle bei der Modulation von Schmerz und Entzündungsreaktionen.

 

Aufgrund der psychoaktiven Eigenschaften von THC kann der Konsum von Cannabis Euphorie, Paranoia, Stimmungsschwankungen und temporäre kognitive Einschränkungen verursachen. Besonders Personen mit einer Neigung zu Psychosen sollten die Nutzung sorgfältig abwägen.

 

Weitere häufige Nebenwirkungen von medizinischem Cannabis sind Trockenheit im Mund, gerötete Augen, ein vorübergehender Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz, Schläfrigkeit und eingeschränkte Bewegungsfähigkeit. Die Dosierung sollte unter ärztlicher Aufsicht erfolgen und regelmäßig angepasst werden, um die Nebenwirkungen auf ein Minimum zu reduzieren und die Lebensqualität zu erhalten.

 

5 Buprenorphin

 

Analgetische Potenz: 30

 

Buprenorphin wird bei mäßig starken bis starken Schmerzen sowie in der Suchtbekämpfung eingesetzt. Es wirkt schnell und kann intravenös, intramuskulär, als Pflaster oder Sublingualtablette verabreicht werden.

 

Wirkung und Nebenwirkungen

 

Buprenorphin kann Schwindel, Benommenheit, Blutdruckabfall, Übelkeit, Erbrechen und Atemschwierigkeiten verursachen. Bei gleichzeitiger Einnahme mit anderen Opioiden kann es deren Wirkung verringern.

 

6 Alfentanil

 

Analgetische Potenz: 20 – 30

 

Alfentanil wird häufig während chirurgischer Eingriffe als Anästhetikum verwendet. Es hat eine kurze Halbwertszeit und ist auch als Pflaster erhältlich. Bei intravenöser Verabreichung hat Alfentanil eine sehr kurze Halbwertszeit von circa 100 Minuten, wodurch die Nachwirkungen nach dem Nachlassen der Anästhesie verringert werden können.

 

Wirkung und Nebenwirkungen

 

Alfentanil hat eine sedierende und anxiolytische Wirkung. Alfentanil kann zu Atemdepression, Thoraxversteifung, Bradykardie, allergischen Hautreaktionen und Verstopfung führen. Die gleichzeitige Einnahme von Alkohol oder Sedativa sollte vermieden werden.

 

7 Hydromorphon

 

Analgetische Potenz: 7,5

 

Hydromorphon ist in verschiedenen Darreichungsformen (Hartkapseln, Retardtabletten, Injektions- & Infusionslösungen) erhältlich und wird bei starken Schmerzen eingesetzt.

 

Wirkung und Nebenwirkungen

 

Hydromorphon ahmt die Wirkung körpereigener Opioide nach, etwa die der Endorphine, Enkephaline und Dynorphine. Diese Substanzen verringern einerseits die Weiterleitung von Schmerzsignalen in den Nervenzellen, andererseits reduzieren sie die Schmerzwahrnehmung im Gehirn.

 

Häufig auftretende Nebenwirkungen sind Appetitlosigkeit, Angst, Verwirrung, Schwindel, niedriger Blutdruck, Verstopfung, Bauchschmerzen, Mundtrockenheit, Übelkeit und Erbrechen. Es kann außerdem zu vermehrtem Harndrang kommen und einem allgemeinen Schwächegefühl mit vermehrtem Schwitzen. 

 

8 Levomethadon

 

Analgetische Potenz: 3 – 4 

 

Levomethadon wird bei schweren Schmerzen und in der Substitutionstherapie eingesetzt. und findet seinen Einsatz z.B. bei Unfällen, Operationen oder Krebsschmerzen. Außerdem kann es in der Substitutionstherapie bei Heroin- oder Morphinabhängigkeit Anwendung finden. Es ist ein synthetisches Opiat, das der Struktur von Morphin ähnelt und dadurch bindet effektiv an Opiatrezeptoren.

 

Wirkung und Nebenwirkungen

 

Die analgetische Wirkung von Levomethadon hält zwischen 4 und 8 Stunden an. 

 

Levomethadon kann bei opiatabhängigen Personen angewendet werden, um deren Entzugssymptome zu unterdrücken. Bei langfristiger Einnahme erzeugt der Wirkstoff Resistenzen gegenüber anderen Opioiden. 

 

Levomethadon hat eine langanhaltende Wirkung und erzeugt langsam Abhängigkeit. Nebenwirkungen sind Stimmungsveränderungen, Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit und Mundtrockenheit.

 

9 Oxycodon

 

Analgetische Potenz: 2

 

Oxycodon wirkt doppelt so stark wie Morphin und kann zu körperlicher und psychischer Abhängigkeit führen. Es wird in der Regel als Retardtablette verschrieben. Präparate werden entweder zu Beginn der Schmerzbehandlung eingesetzt oder nur für eine kurzfristige Behandlung.

 

Retardtabletten, bei denen der Wirkstoff allmählich freigesetzt wird, müssen unbedingt im Ganzen geschluckt werden, da das Zerkleinern oder Zerkauen zu einer Überdosierung führen und die Atmung lähmen.

 

Wirkung und Nebenwirkungen

 

Oxycodon verstärkt die Wirkung von gerinnungshemmenden Mitteln und sollte nicht mit Alkohol oder Grapefruitsaft kombiniert werden. Nebenwirkungen sind Schwindel, Mundtrockenheit, übermäßiges Schwitzen und Atemprobleme.

 

10 Morphin

 

Analgetische Potenz: 1

 

Morphin wird aus dem Saft des Schlafmohns (Papaver somniferum) gewonnen und ist das Standardmittel für schwere Schmerzen. Es ist in verschiedenen Formen erhältlich.

 

Die Substanz ist der wichtigste Bestandteil von Opium. Medizinischer Cannabis stellt unter den Schmerzmittel dahingehend die einzige Ausnahme dar. 

 

Wirkung und Nebenwirkungen

 

Morphin kann zu Euphorie, Dysphorie, Appetitlosigkeit und Erbrechen führen. Es verursacht typische Opioid-Nebenwirkungen wie trockene Schleimhäute, Miosis, übermäßiges Schwitzen und Juckreiz.

 

Über KETAMIN und KETAMIN S berichte ich weiter unten als Nummer 11)

 

Welches Schmerzmittel ist am besten für mich geeignet?

 

Um das passende Schmerzmittel bei starken Schmerzen zu finden, ist es wichtig, einen Arzt oder eine Ärztin zu konsultieren. Verschiedene Faktoren können die Wahl eines Schmerzmittels beeinflussen, darunter:

 

  • Alter
  • Gesundheitszustand und Vorerkrankungen
  • Einnahme anderer Medikamente
  • Dauer der Einnahme anderer Medikamente und deren Wirksamkeit
  • Allergien oder Überempfindlichkeit gegenüber bestimmten Medikamenten 
  • Sucht oder Prädisposition für psychische Krankheiten

Von der langfristigen Anwendung frei verkäuflicher Schmerzmittel sollte unbedingt abgesehen werden. Wenn dir bereits ein Schmerzmittel verordnet wurde und du trotz richtiger Einnahme Neben- oder Wechselwirkungen bemerkst, wende dich umgehend an deinen Arzt oder deine Ärztin.

 

Falls du aktuell Opioide einnimmst und unter deren Nebenwirkungen leidest oder eine Therapie mit Opioiden vermeiden möchtest, könnte medizinischer Cannabis eine geeignete Alternative für dich sein.

 

Warum medizinischer Cannabis bei chronischen Schmerzen?

 

Eine Studie aus dem Jahr 2023 untersuchte die Verordnungsdauer und Dosierung von Cannabis-Präparaten in Kombination mit Opioiden. Patient, die zusätzlich zu Opioiden mit einer analgetischen Potenz von 65 zwischen 9,6 mg und 13,6 mg THC erhielten, benötigten 50 % weniger Opioide. [1]

 

Durch den Einsatz von medizinischem Cannabis kann der Bedarf an opioidhaltigen Schmerzmitteln reduziert werden. Für Patient, die nach einer wirksamen und sichereren Schmerzbehandlungsoption suchen, könnte Cannabis eine Lösung sein . [2]

 

Forscher stellten außerdem fest, dass Menschen mit chronischen Schmerzen, die medizinischer Cannabis konsumierten, nach der Einnahme über geringere Schmerzwerte berichteten. Medizinisches Cannabis könnte somit eine gute Option für Menschen mit chronischen Schmerzen sein, die nach Alternativen zu verschreibungspflichtigen oder rezeptfreien Schmerzmitteln suchen. [3]

 

Wie erhalte ich medizinischen Cannabis als Analgetikum?

 

In Deutschland kann medizinischer Cannabis zur Behandlung chronischer Schmerzen vom Haus- oder Facharzt verschrieben werden. Zudem sind täglich 25 gr. frei verfügbar (ab 18 Jahren). Um die Kostenübernahme durch die Krankenkasse zu erhalten, muss ein Rezept des Arztes vorgelegt werden.

 

Chronische Schmerzen sind mittlerweile als anerkannte Indikation zur Verschreibung von Cannabis etabliert. Dennoch gilt in Deutschland, dass Cannabis als Medizin nur verordnet werden kann, wenn andere Therapien erfolglos waren oder eine Behandlung mit Opioiden aus ärztlicher Sicht nicht geeignet ist.

 

Medizinisches Cannabis – Cannabis enthält zwei Hauptwirkstoffe, die zur Schmerzbehandlung genutzt werden: Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Diese Wirkstoffe interagieren mit den Rezeptoren des körpereigenen Endo-Cannabinoid-Systems und unterstützen die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Homöostase. Besonders bei chronischen Schmerzen und Nervenschmerzen kann medizinischer Cannabis von einem Arzt oder einer Ärztin verschrieben werden.

 

11 Esketamin

 

Esketamin ist ein Arzneistoff aus der Klasse der Injektionsanästhetika, der auch analgetische Eigenschaften aufweist. Es handelt sich um das S-Enantiomer des Ketamins.

 

2. Chemie

 

Als S-Enantiomer ist Esketamin konstitutionell mit Ketamin identisch, unterscheidet sich jedoch in der Konfiguration. Die Summenformel lautet C13H16ClNO, das Molekulargewicht beträgt 237,74 g/mol.

 

Die racemische Synthese erfolgt ausgehend von 2-Chlorbenzaldehyd, welches mit Acetanhydrid in das Nitril überführt wird. Das Nitril geht eine Grignard-Reaktion mit Cyclopentanmagnesiumbromid zum Keton ein. Nach Bromierung, Umsetzung mit Methylamin und Ansäuern findet eine Umlagerungsreaktion zum Ketamin statt, welches dann in seine Enantiomere getrennt werden kann.

 

Wirkmechanismus

 

Esketamin bewirkt eine dissoziative Anästhesie, d.h. es wirkt narkotisch und analgetisch, erhält aber die Reflextätigkeit und den Muskeltonus des Patienten. Die Krampfschwelle wird nicht gesenkt.

 

Die Wirkung beruht auf einem nicht-kompetitiven Antagonismus an NMDA-Rezeptoren. Dadurch kommt es zu keiner Öffnung der Ionenkanäle und somit zu keiner Weiterleitung des Schmerzreizes.

 

Esketamin hat zudem eine sympathikotone Wirkung, wodurch es hyperton, positiv inotrop/chronotrop und bronchodilatativ wirkt.

 

4. Pharmakokinetik

 

Die Pharmakokinetik ähnelt der des Ketamins. Maximale Plasmakonzentrationen bei intravenöser Gabe werden nach einer Minute erreicht. Bei intramuskulärer Verabreichung beträgt die Bioverfügbarkeit 93 %. Die Plasmaproteinbindung liegt bei 47 %. Der metabolische Abbau erfolgt hauptsächlich über CYP3A4. Die terminale Eliminationshalbwertszeit liegt zwischen 79 Minuten (kontinuierliche Infusion) und 186 Minuten (niedrig dosierte i.v.-Gabe). Die Elimination erfolgt überwiegend renal. Esketamin weist im Vergleich zu Ketamin eine schnellere Elimination auf, was für eine bessere Steuerbarkeit in der klinischen Anwendung spricht.[1]

 

5. Indikation

 

Indikationen für Esketamin sind:[1]

 

Einleitung und Durchführung einer Allgemeinanästhesie (Vollnarkose), gegebenenfalls in Kombination mit Hypnotika

Ergänzung der Regionalanästhesie

Anästhesie bei Schmerzbekämpfung in der Notfallmedizin

Intubation im Status asthmaticus in Kombination mit einem Muskelrelaxans, wenn andere spezifische Maßnahmen nicht erfolgreich waren

In der Kinderchirurgie wird Esketamin meist alleine verwendet. Bei den anderen Indikationen erfolgt eine Kombination mit anderen Hypnotika.

 

Darüber hinaus ist Esketamin in Form eines Nasensprays (Spravato®) seit März 2019 in den USA und seit Dezember 2019 in der EU zur Behandlung therapieresistenter Depressionen zugelassen.[2] Im Oktober 2019 hatte der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA eine Zulassungsempfehlung ausgesprochen.[3]

 

6. Darreichungsformen

 

Esketamin wird in Form einer Injektionslösung oder als Nasenspray verabreicht.

 

7. Dosierung

 

Einleitung einer Allgemeinanästhesie: 0,5-1 mg/kgKG bzw. 2-4 mg/kgKG i.m.

Dauerinfusion: 0,5-3 mg/kgKG pro Stunde

Ergänzung einer Regionalanästhesie: 0,125-0,25 mg/kgKG pro Stunde

Die Angaben dienen als Orientierung - je nach Zustand des Patienten kann eine Dosisanpassung erforderlich sein.[1]

 

Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.

 

8. Nebenwirkungen

 

Folgende Nebenwirkungen sind bekannt:[1]

 

  • Aufwachreaktionen wie lebhafte Träume, Schwindel
  • tonisch-klonische Muskelkontraktionen, die Krämpfen gleichen können
  • Nystagmus
  • verschwommenes Sehen, Doppeltsehen, Zunahme des intraokulären Drucks
  • Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz, temporäre Tachykardie, Arrhythmie
  • Hypotonie
  • erhöhter Sauerstoffverbrauch, Laryngospasmus, temporäre Atemdepression
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Exanthem
  • Lokalreaktionen: Schmerzen und Erythem an der Injektionsstelle

9. Wechselwirkungen

 

Folgende Wechselwirkungen sind bekannt:[1]

 

In Kombination mit Xanthinderivaten (z.B. Theophyllin, Aminophyllin) kann eine Absenkung der Krampfschwelle eintreten.

Blutdrucksteigerung in Kombination mit Schilddrüsenhormonen, indirekt wirkenden Sympathomimetika und Vasopressin

Abschwächung der Nebenwirkungen, aber auch Verlängerung der Wirkdauer in Kombination mit Schlafmitteln, insbesondere Benzodiazepinen und Neuroleptika

verlängerte Aufwachphase in Kombination mit Barbituraten und Opiaten

Die Wirkung bestimmter Muskelrelaxantien wie Suxamethonium oder Pancuronium kann verlängert sein.

CYP3A4-Inhibitoren und -Induktoren führen zu einer erhöhten bzw. erniedrigten Esketamin-Dosis im Blut.

10. Kontraindikationen

 

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
  • Patienten, für die ein erhöhter Blutdruck oder ein gesteigerter Hirndruck ein ernsthaftes Risiko darstellt
  • schlecht eingestellte oder nicht behandelte Hypertonie
  • Eklampsie und Präeklampsie
  • nicht oder ungenügend behandelte Hyperthyreose
  • Verwendung als alleiniges Anästhetikum bei Patienten mit manifesten ischämischen Herzerkrankungen

 

Neues Opioid ohne Suchtgefahr

 

Bei starken Schmerzen setzen Ärzte oft Opioide ein. Dass die Medikamente Risiken haben, ist bekannt: Sie wirken sedierend und können abhängig machen. Jetzt haben Pharmakologen eine neue Substanz entwickelt. Sie stillt Schmerzen effektiver als Morphin und macht nicht süchtig.

 

Eine neue Opioid-Variante kann stark schmerzlindernd wirken und trotzdem nicht abhängig machen. Der Wirkstoff, genannt AT-121, soll stärker wirken als Morphin und gleichzeitig weniger Nebenwirkungen als die üblichen Opioide aufweisen. Auch soll es sich zur Behandlung einer bestehenden Schmerzmittelabhängigkeit eignen. Entwickelt wurde der Wirkstoff von Pharmakologen der amerikanischen Wake Forest University in Zusammenarbeit mit dem National Institute on Drug Abuse – auch als Antwort auf die aktuelle Opioid-Krise in den USA.

 

Angriff an zwei Fronten

 

Hier setzt die Studie an: Analgetika wie Fentanyl und Oxycodon wirken ausschließlich am M-Opioidrezeptor (MOP-Rezeptor) und führen teils zu ungewollten Nebenwirkungen wie Atemdepression, Hyperalgesie und Toleranz. Deshalb sollte eine chemische Substanz kreiert und getestet werden, die zusätzlich an den NOP-Rezeptor (Nociceptin/Orphanin FQ Peptide (NOP) Receptor) andockt. Der NOP-Rezeptor gilt seit längerem als Möglichkeit, die Effekte von Suchtstörungen abzuschwächen. Die Aktivierung des NOP-Rezeptors kann durch Drogen induzierte Belohnungsmechanismen inhibieren, die Schmerzempfindung bei Entzug reduzieren und bringt eine geringere Toleranzentwicklung mit sich. Die Pharmakologen entwarfen deshalb AT-121: ein Wirkstoff, der die stark schmerzlindernde Wirkung am MOP-Rezeptor sowie die abschwächende Wirkung am NOP-Rezeptor vereinen soll. Um zunächst zu testen, ob die schmerzlindernde Wirkung erhalten blieb, wurden die Schwänze von Rhesus-Affen in 50°C heißes Wasser gehalten, denen einerseits Morphium, andererseits die neue Substanz verabreicht wurde. Dabei erwies sich AT-121 als effektiv. Zur Vermeidung jeglicher Schmerzen konnte eine 100-mal geringere Dosis AT-121, als die nötige Morphium- Dosis verwendet werden. Außerdem blieben übliche Nebenwirkungen wie Juckreiz, Atembeschwerden und Toleranz aus. Die Studie umfasste einen Zeitraum von vier Wochen, eine längere Anwendung wurde nicht untersucht.

 

AT-121 nicht attraktiv für den Missbrauch

 

Das Wichtigste aber: Die Affen zeigten keine Anzeichen von Sucht. Die Primaten erhielten die Möglichkeit, sich Drogen, Schmerzmittel oder AT-121 zu verabreichen. Zur Kontrolle wurde Kochsalzlösung verwendet. Die Anzahl von AT-121-Injektionen bewegte sich in einem geringen Rahmen und wich nicht signifikant von Kochsalzlösungsinjektionen ab, während Kokain, Remifentanil und Oxycodon zu drei- bis viermal so häufigen Wiederholungen führten. Selbst nach drei Tagen zeigten die Affen keine Anzeichen einer physischen Abhängigkeit oder Entzugserscheinungen. Auch konnte die Anzahl an Oxycodon-Injektionen nach einer Vorbehandlung mit AT-121 gesenkt werden. Herzfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur blieben auch von höheren Dosen des Wirkstoffs unbeeinflusst. Bisher kann AT-121 lediglich intravenös verabreicht werden, die Pharmakologen arbeiten jedoch bereits an einer oralen Applikationsform. Sie hoffen, die Wirkung auf den menschlichen Organismus zeitnah klinisch untersuchen zu können. Die Studie wurde mit einer kleinen Stichprobe von 15 Rhesusaffen durchgeführt, Geschlechterunterschiede konnten so nicht ausgeschlossen werden. Nicht unerwähnt bleiben sollte außerdem, dass vier der zehn Studienautoren bei der biopharmazeutischen Firma Astraea Therapeutics angestellt und teilweise als Investoren bei einer Patentanmeldung einer Nociceptin-Rezeptor-Liganden-Verbindung gelistet sind.

 

Same same, but different

 

In Deutschland arbeitet man auf ein ähnliches Ziel hin – bei unterschiedlicher Vorgehensweise. Zwar ist hier die Zahl der Abhängigen wesentlich geringer, auch da weniger verschrieben wird. Doch die Nebenwirkungen, insbesondere die Benommenheit, bereiten auch hierzulande vielen Patienten Probleme. Im Zweifelsfall ertragen sie eher die Schmerzen als sich den Effekten auszusetzen, wie Prof. Dr. Christoph Stein der WELT berichtete. Stein ist Leiter der Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin der Charité und war im letzten Jahr an der Entwicklung eines Prototyps eines morphinähnlichen Moleküls beteiligt, das ausschließlich in entzündetem Gewebe Schmerzstillung erzielt. Dabei machten sich die Forscher zunutze, dass Opioidrezeptoren nicht nur im Gehirn, sondern auch auf peripheren Nervenfasern liegen. Im Falle einer Entzündung sind die Rezeptoren in peripheren Nerven anders geformt als im Gehirn. Somit konnten Moleküle entworfen werden, die nur an den Rezeptoren im Gewebe und nicht im Gehirn andockten. Die Bindung wurde zunächst in Computersimulationen simuliert und entworfen. Im Tiermodell konnten das Team anschließend nachweisen, dass die Rezeptoren im Gehirn nicht auf den neu designten Wirkstoff reagierten und schwerwiegende Nebenwirkungen konnten, vermieden werden. Ein Versuch an Menschen ist bisher noch nicht abzusehen – aus Kostengründen.